Die verschiedenen Wege welche ich beschreite, sei es Shiatsu, Artma, „Wildnisbewegung“ oder
Schamanismus treffen sich zumindest in einem Punkt: „Im Moment sein“.
Shiatsu (zu deutsch: Daumendruck), eine japanische manuelle Therapiemethode, arbeitet mit dem momentanen Energiezustand des Menschen, basierend auf der Traditionellen Chinesischen Medizin. Ziel einer Behandlung ist der Ausgleich zwischen zwei Extremen.
Artma ist stilfreie ganzheitliche Kampfkunst.
Der Name Artma bedeutet die „Kunst des Kampfes“ und setzt sich aus folgenden Buchstabenfeldern zusammen: ART – von Kunst und MA – von Mars, dem Gott des Kampfes der altrömischen Mythologie.
Ausgesprochen weist der Begriff ARTMA auf das Ziel dieser Kampfkunst hin, sein WAHRES SELBST (Sanskrit „ATMA“ oder „ATMAN“) wiederzuentdecken, zu entwickeln und dadurch zufrieden und glücklich zu sein.
„Wildnisbewegung“:
Mit diesem Ausdruck bezeichne ich in dieser Arbeit Strömungen, die eine Verbindung zur Wildnis/Natur herstellen wollen, nicht jedoch solche, welche die Natur als Sport- (z.B. Skifahren) beziehungsweise Therapiegerät (z.B. Erlebnispädagogik) oder Kulisse (z.B. Golf) erachten.
Wildnis bedeutet im Rahmen meiner Begrifflichkeiten, soviel wie „von urbaner Zivilisation unberührt“. Damit meine ich nicht, dass nur in einer Verneinung jeglicher Zivilisation oder Kultur das Heil für den Menschen zu finden wäre, um aber dem günstigen Einfluss der Natur /
des Tao nahe zu sein, empfiehlt es sich für die menschliche Zivilisation „High-Tech“ möglichst sparsam zu verwenden.
Vollkommen und widerspruchslos in der Zivilisation eingebettet zu sein, setzte ich gleich mit „nicht im Moment sein“, was aber die unabdingbare Voraussetzung darstellt, erstgenannte zu ertragen. In weiterer Folge führt dieses „ver-rückt“ sein des Menschen zu Krankheit/Verletzung,in der Wildnis hingegen bedeutet es fehlende Entscheidungsgrundlagen,folglich den Tod. Wer hingegen seine Wurzeln in der Erde und „Tradition“ hat, dem eröffnet sich die Möglichkeit mit neuen Mitteln zu arbeiten.
Der „Sitzplatz“ oder der „geheime Platz“ bezeichnet in der Wildnisbewegung einen Ort, an dem täglich, möglichst zur gleichen Zeit, die Veränderungen in der Natur (Umgebung) beobachtet werden. Beobachten hilft „in den Moment“ zu kommen, durch die täglich gleiche Zeit werden die vor Ort wohnenden Tiere an den menschlichen Beobachter gewöhnt. Dieser erhält nun tiefere Einblicke in seine Umgebung.
Schamanismus:
Schamanismus wird von Schamane abgeleitet. Dieser Begriff wurde ursprünglich nur bei dem ostsibirischen Volk der Tungusen verwendet. Andere Völker haben andere Bezeichnungen.
Ich verstehe den Begriff in dieser Arbeit als unabhängig von jeglicher Tradition.
„Der Schamanismus ist gekennzeichnet durch ein Weltbild, das Kommunikation oder Auseinandersetzung mit Geistern, die auf irdische Erscheinungen Einfluss haben, für möglich hält.[…] Der Schamane kann sich auf seinen Jenseitsreisen zu […] anderen Ebenen begeben. Zum Schamanen wird man meist gegen den eigenen Willen durch Initiation, die durch ältere Schamanen oder die Geister direkt erfolgt. Der Schamane ist als Mittler zwischen den bei ihm Hilfe Suchenden und den Geistern tätig.“2
„Michael Harner, […] spricht vom schamanischen Weg als einer der am besten definierten Methoden, um das Tor in eine andere Realität zu öffnen.“3 Diese andere Realität stellt für mich eine Erweiterung des „Moments“ dar, der folglich auch Beachtung beim „im Moment sein“
geschenkt werden muss.
Meine Berührung mit dem Schamanismus begann mit der Tradition der Lakota. Hier gibt es verschiedene Rituale, bei welchen jede Handlung und jeder verwendete Gegenstand eine bestimmte Bedeutung hat. Folglich ist der anzustrebende Zustand für ein optimales Ausführen
des Rituals der α-Rhythmus4, gleichzeitig unterstützt das Ritual die Erlangung des voran genannten Zustandes .
Neben dem Gebet (Dankbarkeit für alles erhaltene, bitten für Neues) sehe ich für mich den Kontakt mit der „anderen Realität“ als zentralen Wert eines Rituals.
An dieser Stelle möchte ich nicht auf die einzelnen Rituale eingehen, sondern auf die Literaturliste verweisen. Für mich von Bedeutung ist immer das Überleiten in den Alltag. Im Laufe meiner spirituellen Reise folgten Berührungen mit anderen Zeremonien, woraus sich für
mich das Ziel des bewussten Handelns entwickelte.
Aus all diesen Wurzeln ergibt sich für mich „Im Moment sein“ als Lebensziel.
Der Moment kann wahrgenommen werden ohne eigenes Zutun, man unterstützt lediglich etwas, das passiert. Auf diese Art und Weise kann man entstehen lassen, was es braucht, ohne sofort zu fragen: Wozu? So erscheint dem bewusst Wahrnehmenden, eine der natürlichen Ordnung
entsprechende Handlung als selbstverständlich. Bleibt man nun in dieser wertfreien Beobachtung, ohne dies erzwingen zu wollen, noch zu können, so entstehen keine Gedanken. Oft wird dabei auch ein Gefühl der allgemeinen Verbundenheit wahrgenommen. Im Japanischen wird dieser Modus „Hara“ (beziehungsweise im Hara sein) genannt. Die Hirntätigkeit in diesem Zustand wird mit α – Rhythmus bezeichnet.
Um in diesen Zustand zu gelangen, ist es notwendig, den „Kopf“ oder das „Ego“ auszuschalten.
Dabei können sowohl eintönige, wie auch lange andauernde Tätigkeiten behilflich sein. Stress-oder Notsituationen können ebenso helfen, das Ego zu umgehen und dem eigenen Selbst eine Ruhepause zu gönnen. Genauso gut unterstützt ein langer, intensiver Aufenthalt in der Natur diesen „natürlichen“ Zustand, ebenso „natürliche“ Bewegungen (Eulenblick5, Fuchsgang6, ChisSao7). Auch Meditation/Gebet/Zentrierung ist bekannt, um diesen Zustand zu erlangen.
„Im Moment sein“ ist eigentlich der natürliche Zustand. Dennoch schaffen wir es, mit Hilfe unseres Verstandes, diesen Zustand zu verlassen. Das Zurückkommen ist gar nicht so einfach. Es scheint um die Erfahrungen auf diesem Weg zu gehen. Im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte (er)fand der Mensch verschiedenste Übungen, um zielstrebig „zurück“ zu finden.
Ein hilfreiches Element ist die Gleichförmigkeit der Übung. Dies manifestiert sich zum Beispiel im Pilgergang, dem Mantra, dem (Trance)-Tanz, dem Mandala malen, gewissen handwerklichen Tätigkeiten.
Durch längere Dauer kann die Übung intensiviert werden, da der Verstand ermüdet. Nicht ohne Grund führen Pilgerwege quer durch Europa, dauern große Rituale mehrere Tage. Die Fertigstellung eines Mandalas, eines Kunsthandwerkes, sollte bei entsprechender Präzision
mehrere Wochen in Anspruch nehmen, um in den α-Rhythmus zu gelangen.
Da auch die Natur unterstützend wirkt, gibt es den Pilgergang, den Sonnentanz, die Visionssuche, um nur einige zu nennen.
Wenn man im Hara ist, wird jede Bewegung und Handlung auf ihre „natürliche“ Art und Weise vollführt. So kann, vice versa die „natürliche“ Bewegung z.B.: Eulenblick, Fuchsgang, Chi Sao, als Unterstützung auf dem Weg in den Moment verwendet werden.
Eine andere Form der Überforderung des Verstandes ist die Not- beziehungsweise Stresssituation, denn hier fehlt die Zeit zu reflektieren. Solche Momente zu kreieren, um sie zu nutzen, bedarf eines hohen Könnens.
Der Verstand (Ego) bewirkt eine Trennung vom Moment, denn er bewertet das Erlebte.
Im Moment wird nicht analysiert, alles ist.
In unserer modernen, verstandesbetonten zivilisierten Welt, mit ihrer analytischen Wissenschaft, wird schon jedes Kind in der Schule darauf konditioniert, rationell zu handeln; ganz im Widerspruch zum Moment. Diese Trennung, kombiniert mit den unnatürlichen Anforderungen des Alltags führen oft zu Sorge, Kummer und Angst.
Will man seine Annährung an den Moment erkennen, stößt man schnell an die Grenzen des Möglichen, denn es ist zu paradox, den wertfreien Zustand zu bewerten.
Dennoch erkennt der immer wieder Suchende, dass es in diesem gewünschten Zustand „wie am Schnürchen“ läuft, oft verbunden mit einem Gefühl der Zeitlosigkeit, des inneren Friedens. Durch oben beschriebene Merkmale, sowie der Veränderung der Wahrnehmung (meist
intensiver, ganzheitlicher, von außen betrachtend) ist eine Klassifizierung im Nachhinein sehr bald möglich.
Ich komme speziell beim Chi Sao Training immer wieder zu der Erkenntnis: das ist „entstanden“ (im Gegensatz zu „gemacht“).
Ähnliche Momente erlebe ich auch während einer „guten“ Shiatsu Behandlung, meine Berührung „entsteht“ im Einklang mit dem Empfänger.
Mit der Zeit lernt man selbstverständlich das Gefühl des Hara-Zustandes zu erkennen. Auf dieser direkten Gefühlsebene ist es leicht möglich, sich des „im Moments seins“ zu vergewissern.
Eine andere Möglichkeit der Gewahrwerdung ergibt sich durch die Beobachtung der Umgebung.
Wie wird auf mich reagiert? Werde ich durch Alarmsignale der Tiere angezeigt? Flüchten Tiere bei meinem Nahen?
Freilich kann man auch die Reaktionen von Menschen heranziehen, jedoch muss hierbei immer berücksichtigt werden, dass Menschen äußerst selten im Hara sind.
Der Transfer in den Alltag ergibt sich von selbst, jedoch nicht ohne regelmäßige Übung; denn man muss zum Moment „werden“.
Durch (Weg-)Übung entsteht Können, woraus Vertrauen erwächst, dies wiederum hilft, die Angst abzulegen. Angstfreiheit ist die Voraussetzung, um für unerwartete Wendungen offen zu sein.
Aufmerksamkeit lässt den Moment wahrnehmen, was mehr Sensibilität für den Augenblick bringt. Die Aufmerksamkeit in der Haltung des wertfreien Beobachtens korrigiert Abschweifungen vom Moment.
Da der Mensch durch Routinen (nicht jedoch durch meisterhaftes Können) für den „Moment“ unempfänglich wird, kann sich der bewusst Suchende durch das Aufbrechen von Routinen dem Moment annähern.
Auch der Faktor Zeit kann kreativ benutzt werden. Wer sich genügend Zeit für eine bestimmte Arbeit lässt, kann erfahren, was absichtslose Zeit bedeutet. Die einzige Möglichkeit, permanent im Moment zu sein, ergibt sich aus konsequenter Übung,
sodass daraus Gewohnheit wird.
Als ersten Schritt erlangt man eine Stufe des Könnens, die einem selbst Sicherheit gibt, aufgrund häufiger Erfolgserlebnisse (zur rechten Zeit am rechten Ort), anfänglich nur in der geübten Technik. Mit der Zeit verinnerlicht man Hara. Abschließend weiten sich die Erfolgsmomente auch auf andere Bereiche des Lebens aus, sie werden verinnerlicht.
Ein daraus erwachsendes (Selbst)Vertrauen löst Angst auf. Diese Gelöstheit macht offen für unerwartete Wendungen. Nun ist der Mensch durchlässig für den Moment. In diesem Zustand ist es endlich möglich, sofort zu bemerken, wenn man den Moment verlässt, um ihn umgehend
wieder aufzusuchen.
Es wird in diesem Zusammenhang auch von einem sechsten Sinn gesprochen.
Manche erleben sich als Teil von ETWAS/ Gott/ Tao.
Literaturliste:
Carr-Gomm, Philip und Stefanie: Das Keltische Tierorakel: 3. Auflage Bielefeld 2009
Dürckheim, Karlfried Graf: Hara Die Erdmitte des Menschen,
14.Auflage,Bern,München, Wien 1989
Schwarzer Hirsch: Die Heilige Pfeife Das Indianische Weisheitsbuch der sieben geheimen
Riten,4.Auflage, Olten und Freiburg im Breisgau 1982
Schwarzer Hirsch: Ich rufe mein Volk, 13.Auflage, Göttingen 2008
Religion in Geschichte und Gegenwart, vierte Auflage